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Bei ÖPP-Projekten im Bundesfernstraßenbau werden zwei Beschaffungsalternativen im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung miteinander verglichen: die ÖPP-Realisierung und eine konventionelle Realisierung. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung wird in mehreren Stufen durchgeführt, wobei der Detaillierungsgrad regelmäßig zunimmt. Projektangaben können sich z. B. aufgrund des Projektfortschritts oder infolge von Verhandlungsergebnissen verändern. Die Methodik zur Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung bei ÖPP-Projekten im Bundesfernstraßenbau folgt den Grundsätzen und Vorgaben des Leitfadens zu "Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei PPP-Projekten" der Finanzministerkonferenz (FMK) der Länder vom September 2006 sowie der "Arbeitsanleitung Einführung in Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen", eingeführt mit Rundschreiben des BMF vom 12.01.2011, geändert durch Rundschreiben vom 06.05.2019. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bestehen grundsätzlich aus zwei Elementen: einem Kostenvergleich und einer Nutzwertanalyse, deren Ergebnisse abschließend verbal zusammengeführt werden.

Grundlagen des Kostenvergleichs

Im Zentrum der vWU und der aWU steht der "Kostenvergleich". Er betrachtet sämtliche über einen bestimmten Zeitraum anfallenden Kosten, die von der öffentlichen Hand zur Realisierung der Maßnahme zu tragen sind. Als wesentliche Rahmenbedingung wird im Kostenvergleich eine Laufzeit für das Projekt definiert, die unter Berücksichtigung der projektspezifischen Rahmenbedingungen zu ermitteln ist und den jeweiligen "Lebenszyklus" berücksichtigen soll.

Für den Kostenvergleich werden die Kosten für den Vergleichsmaßstab der konventionellen Beschaffungsvariante und die ÖPP-Beschaffung ermittelt. Die Kosten und damit auch die Zahlungen können für die Beschaffungsvarianten zu verschiedenen Zeitpunkten anfallen. Da die Zahlung einer bestimmten Summe in 10 Jahren einen anderen Wert als die Zahlung derselben Summe zum heutigen Zeitpunkt besitzt, müssen die Zahlungsströme vergleichbar gemacht werden. Dies geschieht mit Hilfe der sog. "Kapitalwertmethode", mit Hilfe derer die jeweiligen Kapitalwerte berechnet werden. Es wird der gegenwärtige Wert der künftigen Zahlungen (d. h. auf die Gegenwart abgezinste Barwerte) ermittelt, sodass trotz unterschiedlicher Kostenverläufe vergleichbare Ausgangswerte entstehen.

Der Abzinsungsfaktor spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Bei finanziell bedeutsamen und längerfristigen Maßnahmen empfiehlt das BMF zur Diskontierung grundsätzlich die sog. Zinsstrukturkurve. Die Ermittlung der Zinsstrukturkurve erfolgt anhand der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichen Strukturdaten des Rentenmarktes.

Bei dem Kostenvergleich werden nach den geltenden Haushaltsvorschriften und im Einklang mit den Anforderungen aus dem ÖPP-Beschleunigungsgesetz auch die bei dem jeweiligen Projekt bestehenden Kostenrisiken angemessen berücksichtigt.

Im Ergebnis des Kostenvergleichs stehen sich der ermittelte Barwert der konventionellen Realisierung und der ÖPP-Beschaffung gegenüber. Die Beschaffungsvariante, für die der niedrigere Barwert ermittelt wurde, ist die potenziell wirtschaftlich vorteilhafte Beschaffungsvariante.

Kostenermittlung

Zunächst sind die Kosten für eine konventionelle Realisierung zu ermitteln. Sie bilden den Vergleichsmaßstab des öffentlichen Sektors, sog. Public Sector Comparator (PSC). In den vier Leistungskategorien Bau, Erhaltung, Betriebsdienst sowie Planung & Management werden sämtliche im Betrachtungszeitraum zu erwartenden Kosten und die zugehörigen Kostenrisiken, die der Maßnahme zuzurechnen sind, in Ansatz gebracht. Dabei werden für die konventionelle Realisierung im Kostenvergleich die gleiche Leistungsbeschreibung sowie gleiche terminliche Vorgaben (z. B. Bauzeit) vorgesehen wie für die ÖPP-Beschaffungsvariante. Der Vollständigkeit halber werden auch etwaige (Steuer-) Rückflüsse in Ansatz gebracht. Für die Erbringung von Leistungen fällt z. B. Umsatzsteuer an, die die beauftragten Unternehmen nach Maßgabe des Umsatzsteuergesetzes abzuführen haben.

Die wesentliche Kostengröße der ÖPP-Variante ist die Höhe der Vergütung des privaten ÖPP-Auftragnehmers. Die Ermittlung dieser Kostengröße unterscheidet sich grundsätzlich in der vWU und der aWU. Während in der aWU das im Vergabeverfahren im Wettbewerb ermittelte bestgereihte ÖPP-Angebot berücksichtigt werden kann, muss die ÖPP-Vergütung in der vWU noch prognostiziert werden.

Um die zu erwartende ÖPP-Vergütung in einem projektspezifischen Finanzmodell zu prognostizieren, muss zunächst der Kostenaufwand des privaten Auftragnehmers abgeschätzt werden. Dieser umfasst die Kosten für die Leistungserbringung (d. h. Kosten für Bau, Betrieb und Erhaltung der Strecke sowie Planungs- und Managementkosten, einschließlich Kostenrisiken) sowie die Kredit- und Finanzierungskonditionen für die Projektgesellschaft. Auf der Einnahmenseite stehen bei den V-Modellen die verfügbarkeitsabhängige Vergütung sowie etwaige Abschlagszahlungen.

Informationen über die Kosten der Leistungserbringung im Rahmen eines ÖPP-Projektes liegen der öffentlichen Hand nicht vor. Für die vWU werden die Eingangsgrößen der Vergütungsprognose auf Grundlage der PSC-Kostendaten abgeleitet. Hierfür sind mögliche Effizienzpotenziale im Sinne von Kostenvorteilen des privaten Auftragnehmers bei einem ÖPP-Projekt gegenüber einer konventionellen Realisierung abzuschätzen. Diese Abschätzung erfolgt projektspezifisch und bezogen auf die konkret zu erbringenden Bau-, Erhaltungs- und Betriebsdienstleistungen. Werden beispielsweise Bauleistungen in großen Losen vergeben – wie bei ÖPP – dann können Auftragnehmer größere Mengen zu anderen Konditionen einkaufen, sodass die Baukosten niedriger sein können, als wenn im Rahmen der Fach- und Teillosvergabe viele kleinteilige Bauleistungen in Auftrag gegeben werden. Im Rahmen der aWUist keine Vergütungsprognose mehr erforderlich, da zu diesem Zeitpunkt im Wettbewerb ermittelte endgültige ÖPP-Angebote vorliegen. Es wird damit zugleich geprüft, ob sich die ÖPP-Prognose (inklusive Effizienzprognose) der vWU tatsächlich erfüllt hat.

Neben der ÖPP-Vergütung sind im Rahmen der ÖPP-Beschaffungsvariante auch solche Kostengrößen in Ansatz zu bringen, die zusätzlich beim Auftraggeber entstehen. Dies betrifft z. B. den erforderlichen Begleitaufwand der ÖPP-Projekte (z. B. Kosten für die Überwachung des ÖPP-Auftragnehmers durch den öffentlichen Auftraggeber) und etwaige ÖPP-bedingte weitere Kosten (z. B. Remanenzkosten, die entstehen können, wenn seitens der öffentlichen Hand bislang eingesetzte Ressourcen - etwa für den Betriebsdienst - frei werden, die zumindest kurzfristig nicht anders eingesetzt werden können). Zudem sind beim Auftraggeber verbleibende Risiken zu berücksichtigen. Die an den privaten Auftragnehmer übertragenen Risiken sind in der ÖPP-Vergütung enthalten.

Abzuziehen sind, wie bei der PSC-Variante, die Steuerrückflüsse, die als Einnahmen zurückfließen. Bei der ÖPP-Variante sind neben Rückflüssen aus der Umsatzsteuer auch Unternehmenssteuerrückflüsse in Ansatz zu bringen, die durch die nur bei der ÖPP-Variante zu gründende Projektgesellschaft geleistet werden.
Die erhobenen Kostendaten der PSC- und der ÖPP-Beschaffungsvariante werden in einer Barwertbetrachtung miteinander verglichen. Diese Gegenüberstellung berücksichtigt die erwartete Preisentwicklung, die unterschiedlichen Steuerrückflüsse je nach Beschaffungsvariante sowie die im Projektvertrag geregelte Risikoverteilung zwischen privatem und öffentlichem Vertragspartner.

PSC-Variante (barwertig)

ÖPP-Variante (barwertig)
Grunderwerbskosten++Grunderwerbskosten
Baukosten++Verfügbarkeitsentgelt (inklusive übertragener Risiken)
Erhaltungskosten++(etwaige) Anschubfinanzierung
Betriebsdienstkosten+
Planungs- & Managementkosten+
übertragene Risikokosten+
zurückbehaltene Risikokosten++zurückbehaltene Risikokosten
+beim Auftraggeber verbleibende Kosten (z. B. Begleitaufwand, Remanenzkosten)
Barwert (vor Steuerrückflüssen)==Barwert (vor Steuerrückflüssen)
Umsatzsteuerrückflüsse--Umsatzsteuerrückflüsse
-Unternehmenssteuerrückflüsse (Gewerbesteuer, Körperschaftssteuer, Solidaritätszuschlag)
Barwert der PSC-Beschaffungsvariante==Barwert der ÖPP-Beschaffungsvariante
Ergebnis in %

Tabelle: Schematische Darstellung des Ergebnisses des Kostenvergleichs (V-Modell)

Risikobewertung und -verteilung

ÖPP-Projekte unterliegen, wie jedes Infrastrukturprojekt, einer Vielzahl von Risiken. Dabei handelt es sich in erster Linie um Risiken, die direkt mit der Realisierung des Projektes zusammen hängen, z. B. Baugrundrisiken. Bei der Projektvorbereitung ist projektspezifisch zu prüfen, welche Einzelrisiken auftreten können. Die anschließende Risikobewertung der öffentlichen Hand basiert auf Erfahrungswerten hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit und der etwaigen Schadenshöhe der jeweiligen Einzelrisiken.

Im späteren ÖPP-Vertrag werden die projektspezifisch identifizierten und bewerteten Risiken angemessen zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem privaten Auftragnehmer verteilt. Grundsätzlich sollten die Risiken jeweils demjenigen Partner zugeordnet werden, der sie auf Grund seiner individuellen Risikomanagementkompetenz am besten einschätzen und steuern kann. Der Auftragnehmer wird für die ihm übertragenen Risiken Kosten ansetzen, wobei die entsprechenden Risikovorsorgekosten umso höher ausfallen, desto weniger er die Risiken selbst beeinflussen kann. Deshalb geht es stets darum, das beste "Preis-Risikoverhältnis" zu ermitteln und die Risiken entsprechend zu verteilen.

Diagramm: Zusammenhang von Risikotransfer auf Privaten Partner und Effizienz. Optimum ist, wenn jeder die Risiken trägt, die er bewältigen kann.
Abbildung 2: Optimaler Risikotransfer im Sinne der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung

Quelle: AMNRA

Bei ÖPP-Projekten führt jede Realisierung eines dem Privaten übertragenen Risikos zur Reduzierung des Gewinns, so dass der ÖPP-Auftragnehmer ein starkes Eigeninteresse hat, Risikokosten gut zu kalkulieren, Risiken effektiv zu managen und deren Eintritt möglichst zu vermeiden. Hieraus erwächst ein starker Anreiz z.B. zur termingerechten Fertigstellung und damit zur Vermeidung von Kosten aufgrund einer Terminüberschreitung.

Nutzwertanalyse

Im Kostenvergleich werden für die konventionelle Beschaffungsvariante und die ÖPP-Variante einheitliche Qualitäts- und Leistungsstandards sowie gleiche zeitliche Abläufe zugrunde gelegt. In der Realität werden die Rahmenbedingungen der Beschaffungsvarianten jedoch regelmäßig voneinander abweichen (z. B. Länge der Bauphase). Um unterschiedliche Nutzenwirkungen der Beschaffungsvarianten in der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu berücksichtigen, ist eine Nutzwertanalyse vorgesehen.

Im Rahmen der Nutzwertanalyse können auch solche Nutzenwirkungen bewertet werden, die nicht monetarisiert werden können. Eine Nutzwertanalyse ermöglicht die Bewertung unterschiedlicher Ausprägungen der von den Zielen des Maßnahmenträgers abgeleiteten Nutzenkriterien mit Hilfe eines standardisierten Beurteilungsverfahrens. In der Nutzwertanalyse der ÖPP-Projekte im Bundesfernstraßenbau werden u. a. die regelmäßig frühere Aktvierung des Maßnahmennutzens aufgrund der kürzeren Bauzeit in ÖPP-Projekten und die Möglichkeiten der Beteiligung mittelständischer Unternehmen bei der Realisierung der Beschaffungsmaßnahme betrachtet.

Abschließende Bewertung der Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung

Die Erkenntnisse aus dem Kostenvergleich und der Nutzwertanalyse werden im Rahmen einer Gesamtbetrachtung als Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung bewertet. Eine Verrechnung der einzelnen Teilergebnisse miteinander soll dabei nicht erfolgen, sondern die Teilergebnisse müssen verbal zusammengeführt werden. Regelmäßig wird dem Kostenteil hierbei eine tendenziell höhere Gewichtung zugemessen als den Nutzenteilen. Aus der Gesamtschau dieser Analyse des potentiellen Projektes lassen sich damit Rückschlüsse auf die potenzielle Wirtschaftlichkeit der betrachteten Beschaffungsvarianten ziehen. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ist damit ein wesentliches Element zur Entscheidung darüber, in welcher Beschaffungsform ein Projekt umgesetzt werden soll.