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Foto: Dipl.-Ing. Uwe Ehrhorn

Quelle: Christine Schwarze/Fotostudio AudeLe

Ich habe zwischen 1976 und 1981 „Vermessungswesen“ an der Technischen Universität Berlin studiert und bin direkt im Anschluss an das Studium nach Niedersachsen gegangen, um dort das technische Referendariat in der Fachrichtung „Vermessungs- und Liegenschaftswesen“ zu absolvieren. So hatte ich neben dem Abschluss als Diplom-Ingenieur Ende 1983 auch den Titel eines Assessors erworben.

Der Schritt in die Selbstständigkeit

Nach zwei Jahren praktischer Tätigkeiten in unterschiedlichen ÖbVI-Büros erfolgte 1985 meine Bestellung als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur, die es mir ermöglichte, als selbstständiger Unternehmer am Markt tätig zu werden. So gründete ich das Vermessungsbüro Ehrhorn in Achim, einer Mittelstadt im Landkreis Verden im Zentrum Niedersachsens. Dieses Vermessungsbüro mit 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreibe ich auch heute noch.

Aufbauend auf meinen beruflichen Erfahrungen kamen über die Jahre zahlreiche Funktionen hinzu, in denen ich mein Fachwissen erweitern, qualifizieren und weitergeben konnte und kann: so bin ich seit 2004 Prüfer des Oberprüfungsamtes für das technische Referendariat in der Fachrichtung „Geodäsie und Geoinformation“, seit 2007 zertifizierter Sachverständiger für die Markt- und Beleihungswertermittlung aller Immobilienarten [„ZIS Sprengnetter Zert (AI)“], seit 2008 EFQMEuropean Foundation for Quality Management-Assessor für ein Qualitätsmanagementmodell und seit 2010 auch von der IHK Stade öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken. Weitere – teils auch internationale – Sachverständigenfunktionen sind Recognised European Valuer REV (TEGOVA) (2010), zertifizierter Manager (FH) SRH Hochschule Heidelberg und Malik Management Zentrum St. Gallen (2012), Mitglied des Sachverständigenausschusses der Ingenieurkammer Niedersachsen (2012), seit 2014 Mitglied des Kuratoriums der Sprengnetter Akademie sowie seit 2016 Professional Member der Royal Institution of Chartered Surveyors (MRICS).

Aufgaben verändern sich

Über die Jahre meiner beruflichen Tätigkeit haben sich sowohl die Arbeitsinhalte als auch die Aufgabenbereiche verschoben. In den Anfangsjahren meiner Selbstständigkeit war ich überwiegend als Vermessungstruppführer tätig. Mit dem Wachstum des Büros und der Zunahme der Beschäftigtenzahl nahmen dann die Prüftätigkeiten zu – weniger vor Ort, mehr im Büro. So sind seit etwa 15 Jahren neben den fachbezogenen Aufgaben als ÖbVI und Sachverständiger die unternehmerischen Aufgaben ein wichtiges Tätigkeitsfeld geworden. Dazu zählen zum Beispiel die Festlegung der Unternehmensziele für das Vermessungsbüro, die Führung und Entwicklung von Mitarbeitern, das operative Management, das Controlling und Qualitätsmanagement, aber auch die Öffentlichkeitsarbeit – ohne diese bleibt man nicht im Geschäft. Den Erfolg dieser Arbeit kann man auch daran ablesen, dass ich für meine unternehmerische Tätigkeit und als Arbeitgeber verschiedene Auszeichnungen erhalten habe.

Das technische Referendariat knüpft Netzwerke

Ein großer Vorteil der Ausbildungszeit des technischen Referendariats war, dass ich viele Mitstreiter von anderen Universitäten, mit anderen individuellen persönlichen Hintergründen kennengelernt habe. Gleichzeitig bekam ich auch Kontakt zu vielen gestandene Berufskolleginnen und Berufskollegen aus der Praxis, beispielsweise durch den regelmäßigen Wechsel der Ausbildungsstationen in verschiedenen Behörden und Institutionen. Durch die in Niedersachsen regelmäßig stattfindenden „Unterweisungsgemeinschaften“ lernte ich auch die jeweils älteren sowie nachrückenden jüngeren Referendarjahrgänge kennen. Diese Kontakte und die Bereitschaft, aus ihrem jeweiligen Berufsalltag und den damit verbundenen Problemen und Herausforderungen zu berichten, haben mir viele Einblicke in das spätere Berufsleben ermöglicht und ich konnte praktische Hinweise für meine spätere Tätigkeit als ÖbVI nutzen. Heute würde man das als „Mentoring“ bezeichnen, auch wenn der Begriff zu meiner Ausbildungszeit noch nicht verwendet wurde. All dies zusammen ist Grundlage eines bis heute wirkenden beruflichen Netzwerkes mit in den unterschiedlichsten Sparten unseres „Handwerks“ (Verwaltung, Banken, Hochschulen, Energieversorger, Sachverständige, Selbstständige und Freiberufler) tätigen Kolleginnen und Kollegen.

Qualifizierung durch das technische Referendariat

Einige der im Rahmen des Referendariats erworbenen Kompetenzen waren besonders wichtig und haben mir den Einstieg in die berufliche Karriere ermöglicht. So konnte ich in der Ausbildungszeit bereits Basiskenntnisse der Unternehmens- und Personalführung (beispielsweise als Vermessungstruppführer) erwerben. Und auch die rechtlichen und fachlichen Kompetenzen im Liegenschaftskataster spielten eine große Rolle für meine spätere Tätigkeit als ÖbVI.

Tatsächlich sind Assessoren nach dem Referendariat mehrdimensional ausgebildet: sowohl in technischer und in rechtlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf Personalführung. Dies hebt das Referendariat von anderen Ausbildungen deutlich ab.

Viele der fachlichen Kompetenzen aus dem Referendariat konnte ich auch in meinem Aufbaustudium als Immobiliensachverständiger nutzen – ein deutlicher Wissens- und Kompetenzvorsprung gegenüber anderen Professionen im Aufbaustudium, wie Kaufleuten, Architekten und Bauingenieuren.

Angehenden Referendarinnen und Referendare, die Interesse an einer späteren Tätigkeit als ÖbVI oder in der Katasterverwaltung haben, empfehle ich, Ausbildungsstationen in wenigstens zwei verschiedenen Katasterämtern zu machen – wenn möglich auch in einem anderen Bundesland. Liegt das Interesse stärker im Bereich einer Tätigkeit in der Wertermittlung, dann sollte man während seiner Ausbildung neben einem Gutachterausschuss auch in einer Hypothekenbank und einem Sachverständigenbüro Station machen.

Führung als Kernkompetenz

Warum ist das technische Referendariat gerade heute eine empfehlenswerte Zusatzqualifikation? Die meisten Hochschulabsolventinnen und -absolventen technischer Studiengänge müssen bereits heute in ihren jeweiligen Arbeitszusammenhängen – sei es in einer Verwaltung, einem Ingenieurbüro, in der Wirtschaft, aber auch an einer Hochschule – Führungsaufgaben wahrnehmen. Und dieser Trend wird sich weiter verstärken. Und genau dafür bietet das technische Referendariat eine gute Grundlage, sowohl um Basiskenntnisse zu erlangen als auch um erste Führungserfahrungen zu sammeln. Insbesondere die Hochschulabsolventinnen und -absolventen, die sich mit dem Gedanken tragen, sich selbständig zu machen, müssen sich dieser Thematik annehmen, da ihr späterer wirtschaftlicher Erfolg fundamental davon beeinflusst wird.

Chancen zur weiteren Qualifizierung nutzen

Was ich Ihnen noch mitgeben möchte: nicht nur die an einer freiberuflichen Tätigkeit interessierten Referendarinnen und Referendare können davon ausgehen, dass die im Referendariat erworbenen Basiskenntnisse eine sehr gute Grundlage für ihre spätere Tätigkeit sind, auf der sie mit ständiger beruflicher Weiterbildung sehr gut aufsetzen können. Sie müssen im Laufe ihres Berufslebens die Fähigkeit, eine Organisation zu führen (unabhängig von möglichen Moden), weiterentwickeln. Lebenslanges Lernen zur Erweiterung der persönlichen Kompetenzen und Qualifikationen spielt eine große Rolle für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens und die eigene Work-Live-Balance.