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Quelle: BMDV

Um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts im Straßenverkehr zu meistern, ist der Einsatz Intelligenter Verkehrssysteme (IVS) im Straßenverkehr ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Verkehrspolitik. Im Fokus stehen hierbei intelligente Fahrzeug- und Infrastruktursysteme, die durch Kooperation miteinander wesentlich dazu beitragen, dass der Straßenverkehr sicherer, effizienter und umweltfreundlicher wird.

Da der Straßenverkehr nicht an den Ländergrenzen endet, engagieren wir uns nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene für einen verstärkten Einsatz von IVS und deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern. Denn der Erfolg des Einsatzes intelligenter Technologien hängt im Zeitalter des gemeinsamen europäischen Marktes nicht zuletzt von der erfolgreichen Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern ab.

Die Richtlinie 2010/40/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zum Rahmen für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern (IVS-Richtlinie) legt fest, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sofern sie nach Artikel 3 aufgeführte vorrangige Maßnahmen einführen, die von der Kommission erlassenen Spezifikationen anzuwenden haben. Vorrangige Bereiche im Sinne der Richtlinie sind

I. die optimale Nutzung von Straßen-, Verkehrs- und Reisedaten,
II. die Kontinuität der Dienste Intelligenter Verkehrssysteme in den Bereichen Verkehrs- und Frachtmanagement,
III. die Anwendungen Intelligenter Verkehrssysteme für die Straßenverkehrssicherheit sowie
IV. die Verbindung zwischen Fahrzeug und Verkehrsinfrastruktur.

Als vorrangige Maßnahmen für die Ausarbeitung und Anwendung von Spezifikationen und Normen in den vorrangigen Bereichen gelten:

a) die Bereitstellung EU-weiter multimodaler Reise-Informationsdienste;
b) die Bereitstellung EU-weiter Echtzeit-Verkehrsinformationsdienste;
c) Daten und Verfahren, um Straßennutzern, soweit möglich, ein Mindestniveau allgemeiner für die Straßenverkehrssicherheit relevanter Verkehrsmeldungen unentgeltlich anzubieten;
d) Harmonisierte Bereitstellung einer interoperablen EU-weiten eCall-Anwendung;
e) Bereitstellung von Informationsdiensten für sichere Parkplätze für Lastkraftwagen und andere gewerbliche Fahrzeuge;
f) Bereitstellung von Reservierungsdiensten für sichere Parkplätze für Lastkraftwagen und andere gewerbliche Fahrzeuge.

Entsprechende Spezifikationen werden in Form von delegierten Verordnungen erlassen, die unmittelbar geltendes Unionsrecht sind. Die Mitgliedstaaten sind demzufolge unmittelbar zur Anwendung der Rechtsakte verpflichtet.

Eine Besonderheit im Vergleich zu den delegierten Verordnungen, die nur anzuwenden sind, wenn ein Mitgliedstaat eine der oben genannten vorrangigen Maßnahme einführt, stellt die Einführung des eCalls dar. Dieser ist per Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates EU-weit verpflichtend einzuführen (Beschluss Nr. 585/2014/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Einführung des interoperablen EU weiten eCall-Dienstes). Die Einführung des eCalls ist für einen Mitgliedstaat nicht optional.

Das „Gesetz über Intelligente Verkehrssysteme im Straßenverkehr und deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern“ (IVSG) wurde am 20. Juni 2013 im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2013 Teil I Nr. 29, Seite 1553 veröffentlicht und ist am 21. Juni 2013 in Kraft getreten. Mit dem IVSG wurde die Richtlinie 2010/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zum Rahmen für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern (ABl. L 207 vom 6.8.2010, S. 1) in deutsches Recht umgesetzt. „Intelligente Verkehrssysteme“ im Sinne des Gesetzes sind Systeme, bei denen Informations- und Kommunikationstechnologien im Straßenverkehr und an Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern eingesetzt werden.

Am 25. Juli 2017 ist das Erste Gesetz zur Änderung des IVSG in Kraft getreten.
Die Gesetzesänderung erfolgte aufgrund europarechtlicher Vorgaben (delegierte Verordnungen zur Richtlinie 2010/40/EU). Danach wurde eine „Nationale Stelle“ geschaffen, um die von Datenlieferanten zur Verfügung gestellten Straßen-, Verkehrs- und Reisedaten auf Konformität zu den Anforderungen der delegierten Verordnungen zu überprüfen. Die Zuständigkeit und Aufgabenwahrnehmung der „Nationalen Stelle“ wurde der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) übertragen.

Voraussetzung für eine konstruktive und erfolgreiche Mitwirkung im europäischen Prozess ist eine klare nationale Strategie. Unter Federführung des Ministeriums wurde durch den IVS-Beirat, dem Bundesministerien, Länder, Kommunen, Industrie und Verbände angehören, ein nationaler „IVS-Aktionsplan Straße“ erarbeitet, der die Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern einbezieht und den Zeitraum bis 2020 umspannt. Der IVS-Aktionsplan definiert die mit allen Beteiligten abgestimmte Vorgehensweise bei der koordinierten Weiterentwicklung bestehender und der beschleunigten Einführung neuer IVS zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, Verbesserung der Verkehrseffizienz und Verringerung der negativen Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt. Derzeit liegt der Fokus noch auf dem Straßenverkehr und den Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern. Bestandteil des IVS-Aktionsplans ist ein Maßnahmenplan, der die Ziele, Verantwortlichkeiten und Etappen der einzelnen Maßnahmen konkret beschreibt.

Ein Beispiel für den Maßnahmenplan in Deutschland, ist der Aufbau eines MobilitätsDatenMarktplatzes (MDM). Der bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) betriebene MDM ist ein Internet-Portal, in dem Informationen über verfügbare Daten zum Verkehr zur Verfügung gestellt werden. Der MDM vernetzt die verschiedenen Datenanbieter, die Informationen z. B. zur aktuellen Verkehrslage, zu Baustellen und Staus oder zu Reisezeiten besitzen, mit den potenziellen Nutzern dieser Daten, also Verkehrsmanagementzentralen oder Anbietern von Verkehrs- bzw. Reiseinformationsdiensten im Internet, als App oder im Fahrzeug. Der MDM dient als nationaler Zugangspunkt im Sinne der unter die IVS-Richtlinie fallenden delegierten Verordnungen.

Der IVS-Aktionsplan mit seinem Maßnahmenplan bildet die formelle Grundlage deutscher Vorschläge auf europäischer Ebene. Der Aktionsplan wird mit neuen Maßnahmen kontinuierlich fortgeschrieben. Überdies befindet sich eine Überarbeitung des Aktionsplans mit Blick auf die Zeit nach 2020 in Vorbereitung.

Im Juni 2019 fand in Brüssel die Auftaktveranstaltung der europäischen Expertengruppe „Single platform for open road testing and pre-deployment of cooperative, connected, automated and autonomous mobility“ (CCAM Single Platform) statt. Aufgabe dieser Expertengruppe ist die Beratung der Europäischen Kommission bei Fragen der Erprobung von Technologien des kooperativen, vernetzten und automatisierten Fahrens (CCAM) im Realverkehr und der Schaffung von Verbindungen zur Vorentwicklung (englisch: pre-deployment). Darüber hinaus sollen Fragen des Datenzugangs und -austauschs, der digitalen Verkehrsinfrastruktur, der Kommunikationstechnologie, der Cybersicherheit und der Straßenverkehrssicherheit behandelt werden. Insgesamt sollen der Plattform ca. 100 Experten angehören. Diese setzen sich zum einen aus benannten Vertretern der Mitgliedstaaten und zum anderen aus Vertretern europäischer Verbände zusammen. Das Ministerium beteiligt sich aktiv bei der Plattform.

Der paneuropäische eCall (emergency call oder automatischer Notruf) ist ein einheitliches, europaweit funktionierendes Notrufsystem, das bei einem Unfall automatisch den sogenannten Mindestdatensatz an die zuständige Rettungsleitstelle (Notrufabfragestelle) übermittelt und eine Sprachverbindung zu dieser aufbaut. Hierfür wird die europaweit einheitliche Notrufnummer 112 genutzt. Der Mindestdatensatz besteht aus der exakten Position, der ungefähren Fahrtrichtung sowie der Fahrzeug-Identifizierungsnummer. Die Ortsdaten werden im Fahrzeug mit Hilfe von entsprechenden Empfängern durch Satellitenpositionierungssysteme ermittelt. Zum automatischen Absetzen des Notrufs und der Übertragung des Minimaldatensatzes verfügen die neuen Pkw-Typen über eine bordeigene Kommunikationseinheit für Mobilfunk. Kern der Einheit ist eine „schlafenden SIM-Card“, die im Normalbetrieb deaktiviert ist und durch das Zünden des Airbags oder manuell durch die Fahrzeuginsassen aktiviert wird.

Durch den Einsatz des eCall können notwendige Rettungsmaßnahmen sehr viel schneller und effizienter als bisher eingeleitet werden. eCall hilft somit Leben zu retten, da die ersten 10 Minuten nach einem Unfall entscheidend für die Rettung sind. Zur schrittweisen Einführung dieser Sicherheitstechnik in Europa besteht seit dem 31. März 2018 die Pflicht zum Einbau eines bordeigenen eCall-Systems. Diese Einbaupflicht gilt nur für neue Typen von Fahrzeugen, die in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine Genehmigung (s.g. Typgenehmigung) erhalten. Grundlage für die Einführung des fahrzeugeigenen eCall-Systems ist die Verordnung (EU) 2015/758.

Häufig gestellten Fragen zum eCall

Mein Fahrzeughersteller bietet einen eigenen Notruf-Services an, wie verhält sich dieser zum 112-eCall?

Bisher wurde ein automatischer „Notruf“ von einigen Pkw-Herstellern als privater Dienst, in der Regel als Sonderausstattung angeboten. Diese sind auch weiterhin als sogenannter TPS-eCall (Third Party Service) zugelassen. Mit der verpflichtenden Einführung des paneuropäischen eCall besitzt der Pkw-Eigentümer das Recht, zwischen dem TPS-eCall und dem europaweit einheitlichen 112-eCall-System zu wählen. Die Pkw-Hersteller sind verpflichtet, die Informationen über die vorhandenen Systeme dem Fahrzeugeigentümer in der Betriebsanleitung bereitzustellen. Sollte das Service-Angebot des Herstellers ausgewählt werden, ist das paneuropäische eCall-System zunächst inaktiv. Wenn das vom Hersteller zur Verfügung gestellte eCall-System ausfällt, wird das 112-eCall-System automatisch aktiviert. Der Pkw-Hersteller hat dafür Sorge zu tragen, dass dies sicher funktioniert.

Ich habe mir ein neues Auto gekauft. Muss hier bereits das eCall System eingebaut sein?

Nach europaweit einheitlichen Vorschriften dürfen ab dem 31. März 2018 Typgenehmigungen für neue Pkw-Typen nur erteilt werden, wenn diese das einheitliche paneuropäische eCall-System besitzen. Lag die Typgenehmigung eines Pkw vor dem 31. März 2018, muss kein eCall-System bei Auslieferung des Fahrzeugs installiert sein. Insoweit besteht für Pkw-Typen von vor dem 31. März 2018 auch kein Anspruch auf Nachrüstung mit einem eCall-System. Dies kann lediglich auf freiwilliger Grundlage erfolgen.

Ist das eCall System nur für Pkws oder auch für Lkws und Motorräder Pflicht?

Das System ist verpflichtend für die Fahrzeugklassen M1 (Fahrzeuge zur Personenbeförderung mit maximal acht Sitzplätzen sowie einem Fahrersitz) und N1 (Fahrzeuge zur Güterbeförderung mit einer zulässigen Gesamtmasse bis zu 3,5 Tonnen). Eine Verpflichtung für europaweit einheitliche eCall-Systeme in Lkw und Motorrädern besteht aktuell nicht. Das EU-Forschungsprojekt I_HeeRO hat Erkenntnisse zur eCall-Funktion für Motorräder und Lkw ermittelt, die auch Grundlagen für weitere Beratung der EU-Kommission mit den EU-Mitgliedsstaaten sind.

Wie verhält sich der eCall im Ausland?

Die Regelungen zum eCall gelten in allen Ländern der Europäischen Union. Bei einem manuell oder automatisch ausgelösten eCall im europäischen Ausland verbindet sich der einheitliche paneuropäische eCall über die europaweit gültige Notrufnummer 112 mit der zuständigen Rettungsleitstelle in der Landessprache. Der Mindestdatensatz wird hierbei ebenfalls übertragen und steht den Rettungskräften so für eine schnelle Einleitung von Hilfsmaßnahmen zur Verfügung.
Dem gegenüber kontaktiert der TPS-eCall den zuständigen Service-Anbieter, die die Spracheinstellung im Fahrzeug erkennt und mit dem Fahrer in der eingestellten Landessprache Kontakt aufnimmt.

Wie wird der Datenschutz berücksichtigt?

Das auf dem 112-Notruf basierende bordeigene eCall-System und der TPS-eCall-Dienst müssen in jedem Fall den in der VO (EU) 2015/758 festgelegten Datenschutzvorschriften entsprechen. Personenbezogener Daten dürfen nur für festgelegte Notfallsituationen verwendet werden und nicht länger gespeichert werden, als für diesen Zweck erforderlich.
Der Fahrzeughersteller ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass das auf dem 112-Notruf basierende bordeigene eCall-System im Normalbetrieb keine dauerhafte Verfolgung erfolgt. Darüber hinaus stellt der Hersteller sicher, dass die Daten im internen Speicher dieses Systems automatisch und kontinuierlich gelöscht werden sowie außerhalb des bordeigenen Systems für keine Einrichtung zugänglich sind, bevor der eCall ausgelöst wird ( (EU) 2017/79 Anhang Teil III). Die Erstellung eines auf dem eCall-System basierenden Bewegungsprofils ist demnach nicht zulässig.