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Schienen und Bäume

Quelle: Fotolia / bidaya

Die Verkehrsträger haben die Grenzen der Nationalstaaten längst hinter sich gelassen und bewegen sich in einer zumindest europäischen Dimension. Das gilt auch für die Eisenbahn. Für ihre Marktanteile und Zukunftschancen sind die Bedingungen des europäischen Verkehrsmarktes bereits jetzt wesentlich wichtiger als der nationale Bezugsrahmen. Die Europäische Union hat es sich daher zum Ziel gesetzt, einen Einheitlichen Europäischen Eisenbahnraum zu schaffen.

Einheitlicher Europäischer Eisenbahnraum bedeutet, dass grundsätzlich

  • jedes Eisenbahnverkehrsunternehmen seine Züge
  • auf jedem Eisenbahnnetz
  • in jedem Land der Europäischen Union

fahren lassen kann. Dies gilt sowohl für Personenzüge im Nahverkehr, im Fernverkehr und im Hochgeschwindigkeitsverkehr – als auch für Güterzüge. Ein Thalys-Schnellzug kann bspw. von Frankreich über Belgien nach Deutschland, ein Regionalzug von Koblenz nach Luxemburg oder ein Güterzug aus Kopenhagen durch Deutschland nach Wien fahren. Die Grundlagen hierfür wurden im Rahmen von vier Eisenbahnpaketen mit Gesetzesvorhaben zur Harmonisierung im Europäischen Eisenbahnraum geschaffen.

Außerdem wurden die technischen Vorschriften für die Eisenbahnen in Europa auf höchstem Sicherheitsstandard weitgehend vereinheitlicht. Die hierfür neu gegründete Europäische Eisenbahnagentur (ERA) wacht über die Einhaltung und Anwendung dieser Vorschriften.

Für die Fahrgäste bietet der Einheitliche Europäische Eisenbahnraum viele Vorteile. Im Fern- und Hochgeschwindigkeitsverkehr gibt es heute ein modernes und attraktives Angebot unterschiedlicher europäischer Unternehmen. Dieses Angebot soll für die Zukunft weiter ausgebaut werden. So sollen mit dem von der Bundesregierung während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft initiierten TEE 2.0-Konzept weitere Verbindungen im eigenwirtschaftlichen grenzüberschreitenden Schienenpersonenfernverkehr etabliert werden. Damit werden beispielsweise die europäischen Metropolen noch besser miteinander verknüpft; auch durch zusätzliche Nachtzugangebote. Angestrebt wird zudem ein Europatakt, mit dem die Bahnverbindungen über Grenzen hinweg aufeinander abgestimmt werden sollen.

Die Verordnung (EU) Nr. 913/2010 zur Schaffung eines europäischen Schienennetzes für einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr trat am 09. November 2010 in Kraft. Es ist mit dieser Verordnung gelungen, das Ziel eines leistungsfähigen europäischen grenzüberschreitenden Schienengüterverkehrs in Einklang mit den Interessen des Schienenpersonenverkehrs und des nationalen Güterverkehrs zu bringen.

Die Verordnung schreibt die wesentlichen Hauptrouten der europäischen Güterverkehrskorridore fest. Sie verpflichtet die Infrastrukturbetreiber, enger als bisher zusammenzuarbeiten und grenzüberschreitend durchgehende Trassen anzubieten. Auch wurden bestimmte Entscheidungsbefugnisse auf eine „Gemeinsame Stelle“ ("One-Stop Shop"/OSS) eines jeden Korridors übertragen, insbesondere um den Trassenbestellprozess zu vereinfachen.

Die Güterverkehrskorridore sollen die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs erhöhen und sich an den Marktbedürfnissen ausrichten. Zudem ist es möglich, Korridore auch über die ursprüngliche Festlegung der Hauptrouten hinaus marktorientiert anzupassen und zu erweitern.

Deutschland ist an sechs der mittlerweile elf Güterverkehrskorridore beteiligt. Insbesondere die Anbindung der deutschen Seehäfen, die gerade an der Nordsee in deutlichem Wettbewerb zu den Seehäfen unserer westlichen Nachbarn stehen, wurde durch die Güterverkehrskorridore gestärkt.

Bei einigen Korridoren können schon deutliche Verkehrszuwächse verzeichnet werden. Dazu trägt unter anderem bei, dass das Trassenangebot kontinuierlich und gemeinsam mit den Kunden fortentwickelt wird. Der Grundstein für ein deutliches Wachstum der Güterverkehre ist damit gelegt.

Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wurde am 21. September 2020 die „Berliner Erklärung - „Innovativer Schienenverkehr – vernetzt, nachhaltig, digital“ verabschiedet. Die multilaterale Berliner Erklärung wurde von 26 Verkehrsministerinnen und -ministern der Europäischen Union sowie der Schweiz und Norwegen unterzeichnet. Sie treten damit für eine innovative Weiterentwicklung des Schienengüterverkehrs mit dem Ziel ein, Europa als Wirtschaftsstandort zu stärken und mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern. Die Berliner Erklärung setzt dabei Schwerpunkte in den Bereichen Digitalisierung (Digitale Automatische Kupplung) und effektive Wiederbelebung des europäischen Schienengüterverkehrs als Reaktion auf die COVID-19-Krise. Damit wird erneut ein starkes Signal der Unterstützung des Schienengüterverkehrs als unverzichtbarem Bestandteil nicht nur für den Wirtschaftsstandort Europa, sondern als notwendig für eine erfolgreiche Verlagerung des Güterverkehrs weg von der Straße gesetzt.

Zuvor wurde bereits mit der „Erklärung von Rotterdam“ im Juni 2016 die Wichtigkeit unmittelbar vom Eisenbahnsektor ausgehender und marktorientierter Initiativen auch über den gesetzlichen Rahmen hinaus betont und mit der „Wiener Erklärung“ im Jahr 2018 die Initiative zur weiteren Entwicklung der GVK unterstrichen.

Am 1. Januar 2021 hat das Europäische Jahr der Schiene begonnen, das unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft gemeinsam vom Rat, dem europäischem Parlament und der europäischen Kommission auf den Weg gebracht wurde. Das Europäische Jahr der Schiene 2021 sollte durch Veranstaltungen, Kampagnen und Initiativen die Schiene als einen nachhaltigen, innovativen und sicheren Verkehrsträger stärken. Weitere Ziele des Jahres waren, das Bewusstsein für die grenzüberschreitende, europäische Dimension des Schienenverkehrs zu schärfen und seinen Beitrag zur Stärkung von Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft in der EU zu erhöhen.

Das BMDV hat daher seinen Schienengipfel unter das Thema „Zukunftskonferenz Eisenbahn 2021 im Europäischen Jahr der Schiene“ gestellt.