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Oliver Luksic

Quelle: Bundesregierung/Sandra Steins

Herr Luksic, Sie sind der frisch gebackene Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik. Nach einer Woche im Amt: Wie fühlt es sich an?

Wir wurden alle sehr freundlich aufgenommen und ergänzen uns im Team sehr gut. Daniela Kluckert und ich haben bereits vorher lange und vertrauensvoll im Verkehrsausschuss zusammengearbeitet, Dr. Volker Wissing kenne ich schon sehr lange, wir sind aufgrund der räumlichen Nähe quasi Nachbarn. Er ist absoluter Profi und als ehemaliger Landesverkehrsminister voll in den Themen drin. Michael Theurer ist ein erfahrener Wirtschaftspolitiker, der auch die Europapolitik kennt.

Wie gut haben Sie Ihr Haus schon kennengelernt?

Es gab bereits zahlreiche Antrittsbesuche und Kennenlerngespräche im Ministerium und den nachgeordneten Behörden, auch in Bonn. Ich setze auf den Austausch und möglichst offene Türen. Auch mit vielen Verbänden war ich als Staatssekretär bereits im Dialog.

Ein Beispiel dafür ist Corona. Wie groß ist Ihre Sorge, dass Lieferketten reißen, weil Beschäftigte in großer Zahl krankheitsbedingt ausfallen?

Corona ist ein Stresstest für alle – für die Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen. Wir stehen im engen Austausch mit den Verbänden, damit die Lieferketten und die Versorgung weiter gesichert bleiben. Als Transitland und Exportweltmeister sind wir auf stabile Lieferketten angewiesen.

Befürchten Sie, dass es zu leeren Regalen wie in England kommt?

Die Verhältnisse in England sind ja nicht ganz mit denen in Deutschland vergleichbar. Dort kommen die Auswirkungen des Brexits hinzu. Ich nehme solche Warnungen sehr ernst, bleibe dennoch zuversichtlich, dass wir aufgrund der vielen Maßnahmen gut durch die neue Welle kommen.

Bräuchte es nicht einen Notfallplan für die Logistik?

Was die kritische Infrastruktur angeht, dazu gehört die Logistik, brauchen alle Unternehmen Notfallpläne. Sorge bereitet mir hier zum Beispiel die relativ niedrige Impfquote bei den Fahrern. Ich begrüße daher alle Initiativen, die darauf abzielen, die Impfbereitschaft bei dieser Berufsgruppe zu erhöhen. Neben der Privatwirtschaft müssen aber auch die öffentlichen Stellen Vorkehrungen treffen. Das betrifft auch unser Haus. So stehen wir im regelmäßigen Dialog mit DB Netz, dass die Verbindungen auf den Hauptachsen aufrecht erhalten bleiben. Die wichtigen Güterverkehrskorridore müssen offen bleiben.

Doch gerade auf der Schiene gab es ja in den vergangenen Monaten erhebliche Probleme. Ist das Bahn-Chaos nun beendet?

Die Störungen sind auf die hohe Bautätigkeit zurückzuführen. Erst einmal ist es ja ein gutes Zeichen, wenn auf der Schiene saniert und gebaut wird. Es gibt nun einmal einen Riesen-Sanierungsstau, den es aufzulösen gilt. Nur müssen wir aus den vergangenen Monaten lernen, dass es eine gute Kommunikation braucht, damit sich alle Marktteilnehmer auf die Gegebenheiten einstellen und planen können. Die Zahl der Baustellen ist groß und wird auch weiterhin groß bleiben, das sehen wir schon allein bei den vielen sanierungsbedürftigen Brückenbauwerken. Der Investitionsbedarf ist gigantisch, auch bei der Digitalisierung wird viel zu tun sein. Unsere Aufgabe besteht nun darin, die Maßnahmen mit den Akteuren abzustimmen.

Die Schiene soll ja in der laufenden Legislaturperiode bei den Investitionen an erster Stelle stehen. Können Sie damit leben oder haben Sie zähneknirschend zugestimmt?

Es ist unbestritten, dass die Schiene einen großen Finanzierungsbedarf hat. Die FDP hatte auch aus der Opposition heraus den hohen Investitionen in der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zugestimmt. Wir haben ehrgeizige Klimaziele, deren Einhaltung auch eine starke und ausgebaute Schiene voraussetzt. Zusätzlich arbeiten wir an dem Deutschland-Takt, auch dafür ist sehr viel Geld notwendig.

Die Straße fällt also nicht hinten runter?

Keinesfalls. Das eine zu machen, heißt ja nicht, das andere zu unterlassen. Auch bei der Straße müssen wir den Investitionshochlauf fortsetzen.

War hier die Sperrung der Rahmede-Talbrücke auf der A45 ein weiterer Weckruf?

Der Bedarf ergibt sich nicht erst durch diese Sperrung, er ist seit Jahren bekannt, weil auch in den vergangenen Jahren schon wichtige Brücken komplett oder für den Schwerverkehr gesperrt werden mussten. Volker Wissing hat angekündigt, dass wir hierauf sehr großes Augenmerk legen werden. Auch dem Finanzministerium ist diese Notwendigkeit bekannt. Der Wille, die Bautätigkeit insgesamt voranzutreiben, ist auch ein deutliches Signal an die Unternehmen, dass Kapazitäten sowohl bei der Bau- als auch bei der Ingenieurstätigkeit benötigt werden. Wir hatten in der Vergangenheit oft Probleme mit den Finanzmitteln. Nun ist das Problem eher, dass Ingenieure fehlen und wir dadurch im Bau gebremst werden. Übrigens wurde auch bei der Wasserstraße die Investitionslinie erhöht, was auch diesem Verkehrsträger neue Möglichkeiten gibt.

Viel Geld nehmen Sie nicht nur für Verkehrsinvestitionen, sondern auch zur Förderung alternativer Antriebe in die Hand. Wird die neue Bundesregierung dabei an der Technologieoffenheit festhalten oder in absehbarer Zeit klare Pfadentscheidungen vornehmen?

Für den Pkw ist die Entscheidung in Deutschland für die Elektromobilität bereits gefallen. Beim Lkw-Verkehr wird es bei der Förderung unterschiedlicher Antriebslösungen bleiben, es gibt ja auch unterschiedliche Einsatzprofile für die Fahrzeuge. Wir haben eine ganze Reihe an Programmen im Haus, um den Umstieg zu fördern, durch die CO2-Bepreisung wird dieser Trend fortgesetzt. Konkret fördern wir batteriebetriebene Lkw, Brennstoffzellen- und Hybrid-Antriebe. Es gibt eine sehr breite Federung von 1,6 Milliarden Euro bis 2024.

Einen ersten Förderaufruf startete Ihr Ministerium – noch unter Führung von Andreas Scheuer – im vergangenen Jahr. Wie war die Resonanz darauf?

Mehr als erfreulich: Mehr als 630 Anträge im Volumen von zusammen über 300 Millionen Euro wurden eingereicht. Gefördert werden der Aufbau einer Tank- und Ladeinfrastruktur, aber auch Machbarkeitsstudien und Nutzfahrzeuge. 450 der Anträge bezogen sich auf Nutzfahrzeuge, etwa 2.000 an der Zahl.

Wie geht es mit dem Programm klimafreundliche Nutzfahrzeuge weiter?

Es läuft bis Ende 2024, weitere Förderaufrufe sind geplant, der nächste für dieses Jahr. Die Verfügbarkeit der Fahrzeuge ist die Aufgabe der Hersteller, wir möchten in der Anfangsphase gerne die Anreize setzen. Denn klar ist, dass wir die Emissionen im Straßenverkehr weiter senken müssen, um die Klimaschutzziele zu erreichen.

Welche Rolle spielt bei Ihrer Planung das Thema LNG? Ist der Gas-Lkw das ungeliebte Stiefkind?

LNG spielt bis Ende 2023 eine Rolle und ist komplett von der Maut befreit. Es kommt nun darauf an, einen klaren Fokus auf erneuerbares Gas zu legen – sei es in Form von Biomethan oder von strombasiertem Gas. Hier können wir uns auch für die Zukunft eine Unterstützung vorstellen, auch im Rahmen der künftigen CO2-Maut. Noch ist nichts entschieden, wir müssen uns erst den europäischen Rechtsrahmen anschauen.

Wird es hier beim Zeitplan 2023 bleiben? Es wäre ja sehr ehrgeizig, das Ganze innerhalb eines Jahres umzusetzen.

Auf EU-Ebene gibt es zur künftigen Mautgestaltung ein laufendes Verfahren, wir erwarten die Zustimmung des Europäischen Parlaments zum Text für Februar. Sobald der Text da ist, geht es an die Arbeit. Es bleibt beim Ziel, 2023, eine CO2-abhängige Maut mit einer stärkeren Spreizung an den Start zu bringen. Emissionsärmere Fahrzeuge sollen dabei entlastet werden. Bei der CO2-Maut gibt es einen europäischen Rechtrahmen, der dem nationalen Gesetzgeber etwas Spielraum lässt. Zum Beispiel wollen wir keine Doppelbelastung durch eine CO2-Maut und einen CO2-Preis.

Das Interview führte Matthias Rathmann