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Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing

Quelle: BMDV

Der Verkehrs- und Digitalminister will den Netzausbau beschleunigen und warnt, Deutschland müsse mit Cyberangriffen rechnen.

Rheinische Post: Herr Minister, warum ist die Ukraine bei der Digitalisierung weiter als Deutschland?

Es ist eine größere Aufgabe, eine weit entwickelte Gesellschaft mit einer komplexen Bestands­infrastruktur wie die der Bundesrepublik zu digitalisieren, als ein Land, in dem diese Strukturen nicht in gleichem Maße vorhanden sind und die Infrastruktur deshalb erst neu aufgebaut werden muss. Während man in Deutschland zu lange auf Kupfer gesetzt hat, wurde in anderen Ländern gleich in ein modernes Glasfasernetz investiert. Mit unserer Gigabit-Strategie sind wir in der Lage, uns an die Spitze vorzuarbeiten. 50 Milliarden Euro Kapital bis zum Jahr 2025, dazu ein mutiges Entbürokratisierungskonzept, das wird unsere digitale Infrastruktur auf modernstes Niveau bringen.

Wann wird Deutschland denn im europäischen Vergleich digital im oberen Drittel ankommen?

Wir haben Nachholbedarf bei der digitalen Infrastruktur. Mit der Gigabit-Strategie werden wir uns schnell an die Spitze vorarbeiten. Wir setzen auf Glasfaser überall dort, wo Menschen leben, arbeiten und sich bewegen sowie ein flächendeckendes 5G-Mobilfunknetz. Egal ob Festnetz oder Mobilfunk: Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger zuverlässig den bestmöglichen Netzzugang haben. Die Eckpunkte stehen, nun geht es an die Umsetzung. Was die Nutzung von digitalen Systemen angeht, müssen wir mehr Daten verfügbar machen und den Austausch von Daten erleichtern. Wir werden deshalb die Wirtschaft animieren, mehr und bessere Daten zur Verfügung zu stellen, damit der Übergang zu einer datenbasierten Wertschöpfung gelingt. Um da glaubwürdig zu bleiben, muss der Staat, muss mein Ministerium vorangehen. Letztlich müssen wir aufhören, analog und digital parallel zu betreiben. Das Digitale muss das Analoge ersetzen. Diesen Mut müssen wir als Gesellschaft aufbringen.

Nun sind Sie nicht der erste Minister mit hochtrabenden digitalen Plänen. Warum sollte es diesmal klappen?

Ich habe nicht vor, hochtrabende Pläne zu entwickeln, sondern konkret politisch zu handeln. Mir geht es um ganz konkrete Fragen. Etwa: Woran hängt es, dass nicht ausreichend in die Digitalisierung investiert wird? Dabei stößt man etwa auf eine fehlende Din-Norm und nicht geklärte Haftungsfragen bei modernen Verlegeverfahren. Ferner wollen wir von Elon Musk lernen: Mobilfunkmasten sollen auch ohne explizite Genehmigung gebaut werden können, da sowieso die ganz überwiegende Anzahl der Anträge genehmigt wird. Solche Themen gehen wir an. Wir wollen Störfaktoren konsequent beseitigen.

Wenn Sie das Analoge durch das Digitale ersetzen wollen, fallen noch größere Datenmengen an. Wie steht es um die Sicherheit?

Wir beschäftigen uns vor allem mit der Cybersicherheit unserer Infrastruktur. Wir sind da gut aufgestellt. Aber es besteht permanent Verbesserungsbedarf. Die Sicherheit der Infrastruktur ist eine Voraussetzung dafür, dass wir einen sicheren Datenfluss haben können.

Welche Rolle wird das beim G7-Treffen der Digitalminister spielen?

Daten- und Infrastruktursicherheit wird eine große Rolle spielen. Wir wissen, dass gerade durch den Ukraine-Krieg Cyberangriffe erwartbare Szenarien sind. Da werden wir mit den anderen Ländern stärker kooperieren.

Befinden wir uns schon im Cyberkrieg mit Russland?

Unsere digitale Infrastruktur ist für uns so lebensnotwendig, dass sie immer auch Ziel von Angriffen sein kann. Auch die deutsche Wirtschaft muss das Thema sehr ernst nehmen.

Ist das freie Internet in Gefahr?

Wir wollen beim Treffen der G7-Digitalminister in Düsseldorf darauf dringen, das freie Internet vor totalitären Staaten zu schützen. China etwa schirmt das Internet ab, weil es Daten in seinem Interesse steuern will. Russland verpflichtet Unternehmen, Daten an einem bestimmten Ort zu speichern, damit der Staat sie besser kontrollieren kann. Wir wollen das Internet als einen Raum der Freiheit erhalten, in dem zwischen demokratischen Staaten Daten sicher fließen können.

Worum geht es da genau?

Es geht um freien Datenfluss. Es ist die Aufgabe von G7, das freie Internet und dabei auch Persönlichkeits- und Freiheitsrechte von Nutzern zu schützen. Das bedeutet auch, dass wir uns gegen digitalen Protektionismus aussprechen. Und wir wollen im Rahmen der G7 Digitalisierung stärker für den Klimaschutz nutzen, wenn wir etwa Verkehrsträger noch besser als bislang miteinander vernetzen. Da werden wir in Düsseldorf einiges anstoßen und während der Präsidentschaft vertiefen.

Wird die Digitalisierung Deutschland bargeldloser machen?

Die Kryptowährung Bitcoin ist ein sehr spannendes Thema. Daraus kann sich ein Teil unseres künftigen Zahlungsverkehrs entwickeln. Wir brauchen dazu allerdings auch alle Sicherheiten, so wie wir unser Bargeld gegen Fälschung und Betrug sichern müssen. Allerdings verbraucht die Kryptowährung gigantische Strommengen, pro Jahr mehr als einzelne Länder. Das wirft zwangsläufig auch die Frage nach der Klimabilanz auf.

Also ab wann bezahlt Deutschland ohne Bargeld?

Wir dürfen den Zug nicht verpassen. Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Wir haben aber die Chance, sie zu gestalten. So wie etwa der gute alte Plattenspieler oder Fotoabzüge auf Papier von der digitalen Zeit eingeholt wurden, dürfen wir beim digitalen Zahlungsverkehr nicht eingeholt werden. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob Deutschland eines Tages das Bargeld abschaffen wird. Bargeld ist auch ein Freiheitsthema. Mein Ziel ist es aber, dass wir offen sind, die Chancen der Digitalisierung für unsere Gesellschaft zu nutzen. Und dazu gehören auch moderne Zahlungssysteme. Wir wollen nicht nur Kunden, wir wollen erfolgreiche Entwickler und Anbieter solcher Systeme sein.

Ein großes Thema ist auch das autonome Fahren. Wie weit ist das Autoland Deutschland da?

Ich habe gerade erst eine Verordnung unterzeichnet, die das autonome Fahren auf eine nächsthöhere Stufe heben soll. Beispielsweise kann das Angebot eines Carsharing-Unternehmens mit dieser neuen Verordnung auch umgesetzt werden, nämlich dass der Mietwagen nun voll autonom, aber ferngesteuert zum Kunden vor die Haustür fährt. Damit können wir Carsharing auch in Regionen bringen, in denen es bislang ein Problem war, wenn die Fahrt mit dem gemieteten Fahrzeug dort endete, weil es kaum einen Anschlussnutzer gab.

Und wenn das voll autonom fahrende Auto auf dem Weg zum Kunden schuldhaft einen Unfall verursacht, wer haftet dann?

Stand jetzt: immer der, auf den das Auto zugelassen ist. In diesem Fall der Carsharing-Anbieter. Solche Fragen muss man regeln. Wichtig ist aber, dass wir uns von Detailfragen nicht abhalten lassen, die Zukunftschancen von Technologien zu erkennen und deren Potenzial zu nutzen.

Hagen Strauß und Holger Möhle führten das Gespräch.